EuGH – Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Ladevorgängen bei Elektrofahrzeugen

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Sachverhalt                   

Der EuGH hat sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Verwaltungsgerichts in Polen befasst, welches die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Ladevorgängen von Elektrofahrzeugen betraf. Fraglich war hierbei, ob es sich bei dem Ladevorgang umsatzsteuerrechtlich um eine Lieferung von Elektrizität oder eine sonstige Leistung handelt.

Im Vorlageverfahren wurden im Rahmen des Ladevorgangs verschiedene Leistungen erbracht. Einerseits wurde die Elektrizität geliefert. Andererseits wurden aber auch sonstige Leistungen erbracht, z.B. der Bereitstellung des Zugangs zu und der Erleichterung der Nutzung von Ladepunkten, der erforderlichen technischen Unterstützung und der IT-Anwendungen, die die Reservierung eines Anschlusses, die Verfolgung von Transaktionen und die Bezahlung von Transaktionen ermöglichen.

Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung dieses Leistungsbündels erfährt immer mehr Bedeutung und wurde bisher europaweit nicht einheitlich gehandhabt. Die Stellungnahme des VAT Committee der Europäischen Kommission, die in diesem Vorgang eine einheitliche Lieferung von Elektrizität annahm, war für die Mitgliedsstaaten nicht bindend („Working Papers 969 und 1012“).

Entscheidungsgründe                             

Mit dem Urteil vom 20.04.2023 (C-282/22) hat sich der EuGH hinsichtlich dieses Leistungsbündels dahingehend festgelegt, dass es sich bei dem Ladevorgang mit notwendigen Serviceleistungen um eine einheitliche Lieferung von Elektrizität handelt. Wie auch in vorherigen Urteilen zur Beurteilung der Einheitlichkeit von Leistungen stellt der EuGH auf den Durchschnittsverbraucher ab, der hier bei der Nutzung von Ladepunkten die Lieferung von Elektrizität erwartet und diese den dominierenden Anteil ausmache.

Die Gewährung des Zugangs zum Ladepunkt ist zu vernachlässigen. Die weitere technische Unterstützung des Ladevorgangs und dessen Bezahlungen stellen Serviceleistungen dar, die keinen eigen Zweck haben und lediglich das Mittel sind, um die Lieferung von Elektrizität unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Praxisauswirkungen      

Die Entscheidung des EuGH macht es erforderlich, die Rechnungslegung für derartige einheitliche Lieferungen zu prüfen. Daneben schafft das Urteil Klarheit hinsichtlich der Frage des Leistungsortes und der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens für Lieferungen von Elektrizität an Wiederverkäufer.

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Autor*in dieses Artikels:

Marcel Baumgart

Steuerberater,
Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH),
Fachberater für Unter­nehmens­nach­folge (DStV e.V.)

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